
Ist das neu oder mit Perwoll gewaschen?
Früher in der Zeitung, Radio und Fernsehen. Heute zusätzlich noch im Internet, beim Streamen, den sozialen Medien und auf jedem x-beliebigen Bildschirm oder Plakat an der Straßenecke, Bahn-Station etc. pp. – Werbung ist allgegenwärtig.
Ständig werden wir dazu verleitet, uns Werbung anzuschauen – auch abseits der normalen Werbepausen beim Fernsehen bzw. Streaming. Ob wir wollen oder nicht, wir sind sehr oft mit ihr bzw. den sogenannten Produktplatzierungen konfrontiert. Schauen wir einen Film und sitzt dort eine Person vor einem Laptop, springt uns das Apple Logo über den Bildschirm an, telefoniert wird in der Regel mit iPhones und gefahren wird mit den neusten Modellen von z.B. Audi oder BMW.
Aufpassen!
Mir ist das früher gar nicht so aufgefallen aber seitdem mein Freund mich darauf aufmerksam gemacht hat, achte ich darauf. Und er hat recht, Werbung bzw. Produktplatzierungen sind immer und überall. Will ich mir ein Video auf Youtube ansehen, muss ich – zumindest für ein paar Sekunden lang – erst mal Werbung über mich ergehen lassen. Will ich im Internet etwas googeln, kommen zuallererst die entsprechenden Werbeanzeigen und so weiter und so fort. Das nervt, zumindest dann, wenn ich es bemerke bzw. seitdem ich dafür sensibilisiert bin.
Wie sehr beeinflusst uns diese indirekte Werbung, von der wir erst mal gar nicht unbedingt mitkriegen müssen, dass sie Werbung ist? Eine Bewertung fällt mir recht schwer. Aber es macht mich zunehmend nachdenklicher. Ich bin darüber hinaus zu einer anderen Einsicht gekommen. Denn ich habe in dem Zusammenhang auch lange überlegt, warum das Influencer-Marketing für mich so negativ belegt ist und was mich daran abstößt.
Vertrauensbruch. Das ist es für mich. Wenn ich einem Kanal von jemandem folge, weil mich das Thema und/oder die Person interessiert, dann baue ich ein gewisses Vertrauen auf. Wenn ich dann aber Produktplatzierungen und Werbung „untergeschoben“ bekomme, für die der Influencer bezahlt wird, ist das für mich in gewisser Hinsicht ein Vertrauensbruch. Denn ich möchte eigentlich keine Werbung sehen, sondern mich objektiv informieren. Und das steht für mich im Gegensatz dazu, was ich präsentiert bekomme.
Könnt ihr meinen Gedankengang nachvollziehen?
Aber woher kommt Werbung überhaupt ?
Die ersten, die Werbung gemacht haben, waren wohl die Marktschreier. Schon im Mittelalter haben sie die Waren auf den Märkten beworben. Marktschreier gibt es heute noch und ihre Pendants in den sozialen Medien sind für mich die Influencer. Diese sind die digitalen Marktschreier von heute, nur manchmal subtiler. Die Message der Marktschreier ist klar, die preisen die Waren an, um den Umsatz zu steigern. Das ist ihr Job- und den verfolgen sie ausschließlich. Und das weiß auch jeder.
Influencer sind die digitalen Marktschreier der Neuzeit? Über das Bild, das in mir bei diesem Satz entsteht, muss ich gerade sehr, sehr schmunzeln. Stellt Euch doch mal eine bekannte Influencerin als Marktschreierin im Mittelalter vor. Sagen wir zum Beispiel Cathy Hummels. Die steht mit ihren langen Röcken und Schuhen knöcheltief im Morast und in der Scheiße preist die Vorzüge ihres Werbeprodukts an. Eventuell eine Creme für die Bäckchen und Lippen der Kundinnen von damals, hergestellt aus Roter Bete, damit die Frauen attraktiv und gesund aussehen. Dabei muss sich Cathy wegen dem Gestank auf dem Marktplatz immer mal wieder die Nase zu halten, um nicht zu erbrechen. Ich finde die Vorstellung sehr lustig.
Vom Mittelalter in die Neuzeit
Der erste Werbespot, der 1956 im Fernsehen ausgestrahlt wurde, dauerte 55 Sekunden. Ganz schön lange für heutige Verhältnisse – da sind wir ja eher im unteren zweistelligen Bereich, wenn überhaupt. Der erste Werbefilm war über Persil. Apropos Waschmittel. Kennt noch jemand die Figur Klementine? Sie machte lange Zeit Werbung für ein anderes Waschmittel – Ariel. Genauer gesagt tat sie das von 1968-1984. Ich glaube, diese Zeitspanne wird ein Influencer heutzutage niemals schaffen, schon gar nicht mit Werbung für ein einziges Produkt.
Bestimmte Figuren aus der Werbung haben meine Kindheit geprägt: Der Herr Kaiser von der Versicherung, das Duracell-Häschen (Batterien) oder Meister Proper, der so sauber macht, dass man sich drin spiegeln kann. Aber auch hier gab es eine klare Zuordnung. Eine Figur stand für ein Produkt und es war klar, dass sie Werbung macht.
War der Werbeclip gut gemacht und unterhaltsam, war auch die Marke, um die es ging ein Gesprächsthema. Eine Zeitlang waren Werbevideos ja durchaus Kult. Genauso, wie man über die laufenden Musikvideos bei MTV auf dem Laufenden war, galt das auch für bestimme Werbevideos und -slogans. Alles Müller oder was? – It’s cool Man – Just Do it – Come in and find out – diese Slogans haben es sogar in den normalen Sprachgebrauch geschafft und manche werden bis heute in der Werbung verwendet.
Berühmtheit durch Werbung
Eventuell habt ihr meinen vorherigen Beitrag zu den It-Girls schon gelesen. Hier fragte mein Vater, was diese Personen denn geleistet hätten. Um das noch etwas genauer auszuführen, sagte er darüber hinaus: Die (It-Girls) können nix, wissen nix aber sehen einigermaßen gut aus. Wer gut aussah, wurde engagiert. Perfekt, wenn ein It-Girl dann auch noch Selbstironie mitgebracht hat: Selten dämlich die Werbung der heutigen Verona Pooth für die Telefonauskunft 1188 0 – aber auch ein Kracher, denn „da werden Sie geholfen.“
Berühmte Menschen machen für Produkte Werbung. Andere Menschen werden über eine Werbefigur, die sie verkörpert haben, berühmt. Aus Werbeliedern werden Superhits. Bei Spotify kann man sich sogar eine entsprechende Playlist der besten Werbehits herunterladen.
Und durch die Werbung entstanden ja auch gewisse Legenden … Man dachte, dass Käpt’n Iglo die Fischstäbchen direkt als Briketts aus dem Meer fischt. Sie landen quasi paniert direkt in der Pfanne und natürlich hat Coca-Cola den Weihnachtsmann erfunden. Meine Großtante hat immer das Geschirrspülmittel von Palmolive genutzt, denn laut Werbeslogan pflegt es die Hände schon beim Spülen. Verrückte (Werbe)Welt. Aber dass Geiz geil ist, wusste vor Saturn schon Dagobert Duck.
Von der Unterhaltung zur Manipulation
Früher hatte Werbung noch einen gewissen Unterhaltungswert und man konnte sich auch dagegen entscheiden, sie anzuschauen. Werbung wurde angekündigt durch die Mainzelmännchen oder Onkel Otto. Man konnte sie klarer abgrenzen als heute und hatte man keine Lust, wurde in der Zeit etwas anderes gemacht oder umgeschaltet. Werbegesichter hat man mit einem bestimmten Produkt verbunden, für das sie auch einstanden. Denn es galt einen Ruf zu verlieren. Wer für mehrere Produkte gleichzeitig geworben hat, bekam früher oder später ein Imageproblem. Heutzutage wird die Werbung überall beigemischt, subtiler als früher und ich kann mich dagegen kaum wehren, geschweige denn es immer bemerken, wenn ich nicht ständig aufpasse.
Das mag ich nicht. Das will ich nicht. Manipulationen, die in mein Unterbewusstsein geschoben werden und mich beeinflussen, ohne dass ich es bemerke. Das ist für mich eine Gefahr, der ich mich nicht aussetzen will. Da bin ich auf der Hut.

