
Die Lindenstraße und der Shitstorm – Hater unerwünscht!
Ja, ich gebe es zu. Ich war ein glühender Fan der Lindenstraße, habe die Serie von Anfang an bis zu ihrem Ende am 29. März 2020 geschaut. Die erste Folge lief 1985, da war ich gerade mal 8 Jahre alt. Früher noch jeden Sonntag live und später habe ich sie dann auf meinem Festplattenrekorder aufgenommen.
Sonntags, zwischen 18:40 und 19:10 Uhr – später zwischen 18:50-19:20 Uhr, bin ich nicht ans Telefon gegangen, wenn es geklingelt hat. Wer mich sonntags um diese Zeit anruft, kennt mich nicht gut genug, habe ich immer gesagt. Denn um diese Zeit läuft die Lindenstraße und da bin ich nicht erreichbar.
Nachdem die aktuelle Folge zu Ende war, war bei uns in der Familie Telefonzeit, entweder habe ich anschließend mit meiner Mama oder meiner Schwester telefoniert – oder nacheinander mit beiden. Wir haben uns dann erst mal über das gerade gesehene aktuelle Geschehen aus der Serie ausgetauscht. Es war so, also würden wir über die reelle Bekannte reden, als ob die Personen aus der Lindenstraße auch im echten Leben existieren.
Ein kurzer Abriss für die Nicht-Kenner…
Es geht um ein Mehrfamilienhaus, dessen Bewohner und die nähere Umgebung in der fiktiven Lindenstraße in München. Zur näheren Umgebung gehören im Wesentlichen ein griechisches Restaurant – das Akropolis, eine Arztpraxis, das Café Bayer und ein Friseursalon, später noch die Shisha-Bar von Murat und Lisa und das Nachbarhaus in der angrenzenden Kastanienstraße.
Die Mitwirkenden werden im Laufe der Zeit immer mehr und die Geschichten immer verzweigter, sodass die alle gar nicht mehr in ein Haus hineingepasst hätten. Weiterhin gab es zeitweilen einen Supermarkt, ein Reisebüro, eine Autowerkstatt und noch ein zweites Café, das Café George.
Das Leben der Bewohner der Lindenstraße wird mehr oder weniger realitätsnah dargestellt. Die Familiengeschichten und teilweise dunklen Geheimnisse der selbigen werden über Jahre aufgebaut und jede Folge endet mit einem Cliffhanger, für dessen Auflösung man dann in der Woche drauf natürlich wieder einschalten musste.
Familienkrach vorprogrammiert…
Sowohl die Anfangs- als auch die Schlussmelodie der Serie ist ziemlich einprägsam. Mein Vater hat die Lindenstraße überhaupt nicht gemocht. Für ihn eine pure „Lebenszeitverschwendung“, sich das anzusehen. Wann immer die Titelmelodie auf dem Fernsehbildschirm eingesetzt hat, verließ er fluchtartig das Wohnzimmer (meistens vor sich hin schimpfend).
Sobald die Musik aus dem Abspann verklungen war, kam er wieder rein und hat sich noch mindestens 5 Minuten darüber aufgeregt, dass wir „schon wieder diesen Scheiß“ angeschaut haben. Wir konnten darüber nur Unverständnis aufbringen.
Jeden Sonntag gab es eine neue Folge, 35 Jahre lang – ist das zu glauben? Da müsste doch jeder Streaming-Dienst und sonstige Bezahlsender grün vor Neid über meine „Kundentreue“ werden. Kann sich heute überhaupt noch jemand vorstellen, dass eine Serie 35 Jahre lang läuft? Ganz viele Formate schaffen es ja über Staffel 1 gar nicht hinaus.
Deutsche Fernsehgeschichte
Die Lindenstraße hat in mehreren Hinsichten deutsche Fernsehgeschichte geschrieben. So fand zum Beispiel der erste TV-Kuss von einem homosexuellen Paar in der Lindenstraße statt und Till Schweiger hat hier seine Schauspielkarriere gestartet.
Egal ob HIV, Rechtsextremismus, Scientology oder Demenz (oder, oder, oder), die Serie hat die aktuellen Themen, mit der sich die Gesellschaft gerade auseinandersetzt, gezeigt und durch die Bewohner der Lindenstraße diskutieren lassen.
Die Urmutter des Shitstorms?
Natürlich kamen hierbei auch immer extreme Positionen zu Wort. Einer der einschlägigen Charaktere der Serie, gerade in den Anfangsjahren, war Else Kling. Sie war der Hausdrachen in der Lindenstraße Nummer 3. Sie wusste über alles und jeden etwas (Schlechtes) zu sagen und war grundsätzlich auch immer dagegen. Gegen was? Egal, Hauptsache dagegen. So wie die heutigen „Hater“ im Internet bzw. in den sozialen Medien. Mit denen bin ich ein wenig auf Kriegsfuß, wie ihr hier nachlesen könnt.
Die Handlung der Serie wurde lange Zeit in der Presse kontrovers diskutiert. Auch hier ging die Meinung der breiten Öffentlichkeit sehr auseinander. Es gab auch heftige Reaktionen von Zuschauern, die manchmal die Rollen mit der Realität verwechselt haben und die Schauspieler wurden teilweise massiv für ihr Fehlverhalten (in ihrer Rolle in der Lindenstraße) angegriffen.
So war die Serie selbst auch immer mal wieder Opfer von Personen, die wir heute als Hater bezeichnen würden und musste auch den ein oder anderen Shitstorm über sich ergehen lassen.
Wo ist die gute Kinderstube geblieben?
Ich finde es ist wirklich ein Unding, was heute teilweise in den sozialen Medien los ist und sich diese Hater dort herausnehmen. Andere Menschen, die man gar nicht persönlich kennt aus einer Anonymität heraus auf das Übelste zu beschimpfen und runterzumachen, das geht gar nicht. Diese Angriffe aus den „Hinterzimmern“ des World Wide Web schockieren mich und stoßen mich ab. Mit welcher Berechtigung machen die Leute das?
Wenn man bestimmte Beiträge oder Personen nicht mag, dann kann man sich doch einfach anderswo umschauen oder nicht? Es gibt schließlich genügend Profile, Kanäle und Seiten, mit denen man sich alternativ beschäftigen kann. Aber nein, da bleibt man lieber da, wo man sich mal richtig schön aufregen und auskotzen kann? Ich verstehe das Bedürfnis, auch ich rege mich manchmal auf aber das Ventil ist doch das falsche.
Was können denn andere für meinen Frust? Und mit welcher Berechtigung darf ich denn so auf anderen Menschen herumtrampeln und sie beleidigen? Ich denke, es gibt sie nicht, diese Berechtigung. Über meiner Küchentür hängt ein Spruch, auf den ich jeden Morgen schaue, während ich darauf warte, dass die Maschine meinen Kaffee ausspuckt: „If you can’t be nice, be quiet.“
Auf meinem Blog sind Hater unerwünscht
Natürlich bin ich dafür, seine eigene Meinung zu vertreten und zu äußern, aber ich finde es angebracht, bei der Sache zu bleiben und bei Kritik nicht persönlich zu werden. Schlimm finde ich auch, dass es der Hater als Wort mittlerweile sogar in den Duden geschafft hat, genauso wie der Shitstorm. Shame, shame …
Tatsächlich war einer der ersten Ratschläge für meinen Blog, dass ich Kommentare nur nach meiner Freischaltung erlauben soll. Zuerst dachte ich, das ist ja Manipulation, aber nachdem ich nochmal darüber nachgedacht habe… Ich denke, es ist ok, sich so gegen einen etwaigen Shitstorm zu wappnen.
Zwar habe ich keine Angst vor kritischen Kommentaren aber dann doch bitte sachlich, denn Hater will ich hier nicht. HeMoGern ist immer noch meine kleine Welt – und hier behandelt man sich freundlich und mit Respekt. Punkt. Ausrufezeichen. Ende.

